Wie sammelt die Biene Pollen? Ein faszinierender Einblick in die Welt der Bestäuber!

Der warme Frühlingsmorgen erfüllt die Luft mit dem süßen Duft blühender Obstbäume. Eine Honigbiene landet sanft auf einer leuchtend gelben Rapsblüte und beginnt ihre präzise Arbeit. Mit erstaunlicher Effizienz sammelt sie Pollen – ein faszinierender Prozess, der für das Überleben ganzer Ökosysteme entscheidend ist. Doch wie genau vollbringt die Biene diese wichtige Aufgabe?

Die spezialisierte Anatomie der Sammelbiene

Die Pollensammlung ist kein Zufall, sondern das Ergebnis perfekt angepasster Körpermerkmale. Bienen verfügen über besondere anatomische Strukturen, die sie zu meisterhaften Pollensammlern machen:

Der Körper der Honigbiene ist mit verzweigten Haaren bedeckt, die elektrostatisch aufgeladen werden, wenn die Biene fliegt. Diese Aufladung führt dazu, dass Pollenkörner förmlich an ihr haften bleiben. Die Natur hat hier einen elektromagnetischen Mechanismus geschaffen, der selbst moderne Ingenieure beeindruckt.

Besonders bemerkenswert sind die spezialisierten Hinterbeine der Sammelbienen. Sie besitzen sogenannte Pollenkörbe (Corbicula) – leicht vertiefte Bereiche an den Außenseiten der Hinterbeine, die von steifen Haaren umgeben sind. Diese Körbe dienen als Transportbehälter für den gesammelten Pollen.

Die mittleren Beinpaare tragen spezielle Kamm-ähnliche Strukturen, mit denen die Biene den Pollen von ihrem Körper abstreift. Ihr erstes Beinpaar nutzt sie hingegen, um ihre Antennen zu reinigen, die mit chemischen Sensoren ausgestattet sind, welche die Qualität des Pollens erkennen können.

Der präzise Sammelvorgang in fünf Schritten

Der Pollensammelvorgang folgt einer beeindruckenden Choreografie, die jede Sammelbiene instinktiv beherrscht:

  1. Blütenauswahl: Die Biene identifiziert geeignete Blüten durch Farbe, Form und Duft. Dabei helfen ihre komplexen Augen, die ultraviolettes Licht wahrnehmen können, sowie ihre hochempfindlichen Antennen.
  2. Pollenkontakt: Während die Biene Nektar saugt, berührt sie die Staubgefäße der Blüte. Pollen bleibt an ihren verzweigten Körperhaaren haften – besonders am Thorax (Brust) und Abdomen (Hinterleib).
  3. Sammelvorgang: Mit ihren mittleren Beinen kämmt die Biene systematisch den Pollen von ihrem Körper. Dieser Vorgang findet häufig im Flug statt.
  4. Pollenkomprimierung: Der gesammelte Pollen wird mit Speichel und Nektar vermischt. Diese Mischung macht den Pollen klebrig und ermöglicht es, ihn zu kompakten Kügelchen zu formen.
  5. Transport: Die Pollenkügelchen werden in den Pollenkörben der Hinterbeine platziert und zum Bienenstock transportiert. Eine einzelne Ladung kann bis zu 30% des Körpergewichts der Biene ausmachen.

Dabei ist bemerkenswert, dass eine Biene während eines Sammelflugs meist nur eine Pflanzenart besucht. Diese Blütenstetigkeit (Blütentreue) macht sie zu besonders effektiven Bestäubern, da der Pollen gezielt zur selben Pflanzenart transportiert wird.

Die komplexe Kommunikation im Bienenstock

Zurück im Bienenstock übergibt die Sammelbiene ihre wertvolle Fracht an jüngere Stockbienen. Diese lagern den Pollen in speziellen Zellen um den Brutbereich herum ein. Doch der eigentliche Sammelvorgang beginnt bereits mit einer ausgeklügelten Kommunikation:

Kundschafterbienen erkunden das Umland und kehren mit Informationen über ergiebige Pollenquellen zurück. Durch den berühmten Schwänzeltanz teilen sie ihren Artgenossinnen mit, in welcher Richtung und Entfernung sich lohnende Blüten befinden. Bei diesem Tanz bewegt sich die Biene in einer Figur, die einer liegenden Acht ähnelt. Die Ausrichtung dieser Figur gibt die Richtung relativ zur Sonne an, während die Dauer des Tanzes die Entfernung zur Futterquelle signalisiert.

Die Intensität des Tanzes und das begleitende Summen vermitteln zudem Informationen über die Qualität der gefundenen Pollenquelle. Andere Bienen folgen diesem Tanz aufmerksam und können so zu den besten Sammelplätzen navigieren, ohne diese vorher selbst erkundet zu haben.

Die Bedeutung der Pollensammlung für Bienenvolk und Ökosystem

Der gesammelte Pollen ist für das Bienenvolk von existenzieller Bedeutung. Als Hauptproteinquelle dient er vor allem der Aufzucht der Brut. Junge Bienen benötigen diese nährstoffreiche Nahrung für ihre Entwicklung und für die Produktion von Futtersaft, mit dem sie wiederum die Königin und die Larven versorgen.

Ein typisches Bienenvolk benötigt jährlich etwa 20-30 kg Pollen für seine Ernährung. Um diese Menge zu sammeln, müssen die Bienen Millionen von Blüten besuchen. Bei diesem Prozess tragen sie maßgeblich zur Bestäubung bei – einer ökologischen Dienstleistung, deren wirtschaftlicher Wert weltweit auf mehrere hundert Milliarden Euro geschätzt wird.

Besonders bemerkenswert ist, dass Bienen je nach Jahreszeit und Bedarf des Volkes gezielt bestimmte Pollenarten sammeln. Sie können zwischen proteinreicheren und -ärmeren Pollen unterscheiden und passen ihr Sammelverhalten entsprechend an. Diese Fähigkeit hilft dem Bienenvolk, sich optimal zu ernähren und Mangelerscheinungen vorzubeugen.

Herausforderungen für Bienen in der modernen Umwelt

Trotz ihrer hochspezialisierten Fähigkeiten stehen Honigbienen und andere Bestäuber heute vor großen Herausforderungen. Monokulturen in der Landwirtschaft reduzieren die Vielfalt verfügbarer Pollenquellen. Pestizide können die Orientierungs- und Sammelfähigkeit der Bienen beeinträchtigen. Auch der Klimawandel verändert die Blühzeiten vieler Pflanzen, was zu zeitlichen Diskrepanzen zwischen dem Nahrungsbedarf der Bienen und der Verfügbarkeit von Pollen führen kann.

Imker und Naturschützer arbeiten deshalb daran, bienenfreundliche Lebensräume zu schaffen und zu erhalten. Blühstreifen an Feldrändern, vielfältige Gärten und der Verzicht auf bienenschädliche Pestizide helfen den fleißigen Sammlern, ihrer wichtigen Aufgabe nachzukommen.

Die nächste Begegnung mit einer pollenbeladenen Biene wird so zu einem besonderen Moment – wir beobachten nicht nur ein faszinierendes Insekt bei seiner Arbeit, sondern einen unverzichtbaren Teil des Kreislaufs, der unsere Ökosysteme am Leben erhält und unsere Nahrungsversorgung sichert.

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